Strategie
Fakten und wie man nicht mit ihnen umgeht – Falsche Ausgewogenheit
Es sind ungewisse Zeiten, in welchen auf einmal auch engere Verwandte verwirrende Positionen einnehmen. Ob Klimawandel, Coronakrise oder traurigerweise auch die Evolutionstheorie: Zu all diesen Themen gibt es viel faktisch recherchiertes Wissen mit gesellschaftlichem Konsens. Trotzdem zweifeln Minderheiten diese Themen an. Das ist zwar ihr gutes Recht. Jedoch wie die Medien mit solchen Minderheiten umgehen und dadurch das wahrgenommene Verhältnis zwischen den Gruppen verändert, führt zu einer „Falschen Gewichtung“ (Englisch: False balancing)
Es kommt immer wieder vor, dass die öffentliche Meinung zu einem wissenschaftlichen Thema teilweise sehr stark von dem Konsens der akademischen Experten in diesem Gebiet abweicht. Aktuell wird das immer mehr auf sehr bedrückende Weise deutlich. Eine der Hauptursachen für diese Abweichungen liegt bei der Quelle, von welcher Leute ihre Informationen beziehen - den Medien. Diese können von Tageschau zur Bildzeitung bis hin zur Heinrichs wöchentliche Aluhut Show reichen. Hierbei hofft man auf die Medienkompetenz der Nutzer, was eine Problematik mit sich führt, welche bereits von diesem Blog thematisiert wurde. Was geschieht nun aber, wenn Nutzer nach solchen Medien greifen?
Was ist falsche Gewichtung und wie kommt es dazu:
Der kanadische Philosoph McGraw-Hill prägte 1964 in seinem Buch: „Understanding media - the extentions of Man“ einen der Schlüsselsätze der frühen Medienwissenschaften: „The medium is the message“. Also was man aus dem Medieninhalt mitnimmt, hängt von dem Medium oder Format ab, von welchem man Information bezieht.
Es kommt dann zur falschen Gewichtung, wenn innerhalb einer öffentlichen Diskussion unter dem Vorwand der Objektivität für und gegen Sprecher bei einem bestimmten Thema die gleichen Mittel zur Verfügung stehen, selbst wenn eine Seite viel mehr wissenschaftliches Wissen hinter sich hat.
Um in einem Beispiel diese mediale Verzerrung aufzuzeigen:
Ca. 98 % aller Klimaforscher haben den Konsens, dass der momentane Klimawandel ein anthropologischer (Menschengemachter) Klimawandel ist. Dagegen stimmen 2 %, das die Belege nicht replizierbar oder fehlerhaft sind. Wenn nun eine Talkshow zum Thema „Klimawandel“ Forscher von beiden Meinungen einlädt, dann kann es zur falschen Gleichgewichtung kommen.
Beide Seiten werden in der Talkshow dann gleichberechtigt in ausgewogener Menge Gegenüber gesetzt und bekommen dieselbe Redezeit. Letztlich wird keiner vor laufender Kamera seine Meinung ändern, weshalb letztlich kein Konsens entstehen wird. Das ist ein Problem. Denn durch diese Gegenüberstellung suggeriert das Format als Medium eine Kontroversität, welche faktisch so nicht existiert.
Ein Publikum, welches sich selbst nicht aktiv mit genauen Fakten auseinandergesetzt hat, wird also ein Eindruck eines 50:50 Verhältnisses suggeriert, wobei in diesem Beispiel wir von 98 zu 2 sprechen. Diese Minderheit kann zwar auch recht haben, jedoch ist eine Meinung beim wissenschaftlichen Arbeiten ein Sonderfall. In der Wissenschaft geht es darum, wie gut ein Thema reproduzierbar (wiederholbar) ist und wie gut es untersucht wurde, nicht wie gut eine Meinung präsentiert wird. Wenn eine neue wissenschaftlich bessere Theorie erscheint, dann wird diese eben übernommen.
Diese falsche Gewichtung entsteht ironischer weise dann, wenn man als Produzent versucht, eine solche zu verhindern, denn beim journalistischen Arbeiten soll man auch die Gegenstimme zu Wort lassen. Dadurch können dann aber im schlimmsten Fall Fakten und Meinungen gleichgesetzt werden.
Was kann man gegen falsche Gewichtung tun:
Um gegen diese falsche Ausgewogenheit zu arbeiten, hat beispielsweise die BBC (British Broadcast Corporation) 2014 beschlossen, Reporter zu schulen.
Die Reporter lernten, wie sie aufzeigen können, dass die Unterzahl eines Beitrags auch wie die Unterzahl wirkt. In unserem zuvor aufgezeigten Beispiel würde dann in einer Talkshow die Mehrheit von ca. 98 % auch 98 % Sendezeit bekommen. Oder man müsste einen Forscher, welcher gegen den anthropogenen Klimawandel ist, 49 Forscher für einen menschenverursachten Klimawandel gegenüberstellen. Daran sollten wir uns als PR-Verantwortliche orientieren. Denn letztlich soll ein „Einfach nur dagegen Sein“ nicht reichen, so ernst genommen zu werden, dass man Meinungen beeinflusst.
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