Konzept
Gendern - Angriff auf die Sprachästhetik oder Gleichberechtigung?
Der ständige Wandel der Gesellschaft bringt viele Diskussionen mit sich. Ganz vorne mit dabei: die Gender-Debatte. Immer wieder diskutieren Gesellschaft und Politik über die geschlechterneutrale Sprache. Doch bringt uns das Gendern wirklich näher an eine gleichberechtigte Gesellschaft oder leidet die deutsche Sprachästhetik nur unter diesen Veränderungen?
Kaum ein Thema wird in unserer Gesellschaft für so wichtig und gleichzeitig unnötig gehalten wie die Debatte um das Gendern. Das Ziel dieser geschlechtergerechten Sprache scheint klar: Sowohl in schriftlicher als auch mündlicher Form soll die Sprache die Gleichstellung von Männern und Frauen in der Gesellschaft vermitteln. In Deutschland ist die Gender-Thematik jedoch von einem negativen Image geprägt. Dies zeigen Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Instituts infratest aus dem Jahr 2021. So lehnen 65 Prozent der deutschen Bevölkerung die Gendersprache ab – neun Prozent mehr als noch im Vorjahr. Doch sollte sich trotzdem für die geschlechterneutrale Sprache eingesetzt werden?
„Frauen sind doch eh mitgemeint.“
Wer das Gendern zu kompliziert und erschwerend findet, macht sich oftmals weiterhin das generische Maskulinum zunutze. Hier wird dann häufig damit argumentiert, dass Frauen doch eh immer mitgemeint sind. Laut Definition stimmt dies auch. So habe das generische Maskulinum nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun. Doch die Intention und die Wirkung unterscheiden sich oftmals. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Frauen vom Unterbewusstsein weniger miteinbezogen werden als Männer, wenn beispielsweise eine Frage im generischen Maskulinum gestellt wird. Vergessen werden darf hierbei auch nicht, dass es beim Gendern nicht nur darum geht, Frauen in die alltägliche Sprache miteinzubeziehen. So sollen durch die geschlechterneutrale Sprache auch nonbinäre oder intersexuelle Personen mitangesprochen werden. Durch das generische Maskulinum wird dies wohl in den seltensten Fällen erfüllt.
Die Sprache verändert sich – wer leidet nun darunter?
Sonderzeichen im Fließtext, Atempausen und Betonung – Es ist nicht zu verleugnen, dass durch das Gendern der Lesefluss leichter gestört wird und Texte oftmals länger sowie unverständlicher scheinen. Die Genderzeichen verleiten schnell zu Verwirrungen und die Atempausen klingen im gesprochenen Wort unnatürlich. Zudem gibt es nicht ein allgemeines Genderzeichen. Streitigkeiten, ob nun mit einem Sternchen, Doppelpunkt oder großem Buchstaben gegendert wird, tragen nicht unbedingt positiv dazu bei, das Gendern grundsätzlich in die deutsche Sprache zu integrieren. Damit dies jedoch gelingt, sollte die geschlechterneutrale Sprache einheitlich und klar verständlich sein. Was sie nicht darf: Diskriminieren! Auch Personen mit Einschränkungen oder Migrationshintergrund sollten mit der Gendersprache einfach umgehen können. Nur so wird eine Sprache mit Barrierefreiheit und Inklusion geschaffen.
Die geschlechterneutrale Sprache als Veränderung wird oftmals als Angriff auf die Sprache gesehen. Sprache habe sich natürlich zu verändern und nicht durch politische Bestimmungen – so wird häufig argumentiert. Doch es ist gut, dass sich Sprache verändert und verändern lässt. Denn wir passen unsere Sprache so an die gesellschaftliche Zeit an, in der wir leben. So ist es ihr möglich, unsere vielseitige und individuelle Gesellschaft mit den stetigen Veränderungen eben dieser abzubilden. Und auch wenn die Gendersprache zunächst störend scheint, wird dies nicht für immer so bleiben. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Menschen sich mit der Zeit an den sprachlichen Wandel gewöhnen und das Gendern irgendwann wie selbstverständlich scheint.
Löst das Gendern wirklich die gesellschaftlichen Probleme von Frauen?
Wohl kaum! Das Gendern wird zu keiner gerechteteren Welt und auch nicht zu besseren und gerechten Bezahlungen von Frauen im Beruf führen. Auch die häusliche sowie sexuelle Gewalt an Frauen wird aufgrund von geschlechterneutraler Sprache leider nicht sinken. Definitiv sind Frauen in der Gesellschaft von wichtigeren Problemen und Themen betroffen als von einer fehlenden Repräsentation in der deutschen Sprache. Doch dieses Ziel verfolgt die genderneutrale Sprache auch nicht. Ihr Ziel ist es, durch eine neutrale Sprache ein offeneres Denken über Geschlechterrollen in der Gesellschaft zu erzeugen. Dies wiederum kann sich positiv auf andere gesellschaftliche Probleme auswirken.
Ja, das Gendern kostet Arbeit, Einsatz und Energie. Doch es ist niemand dazu gezwungen, die Genderzeichen oder Atempausen im privaten Umfeld in der Sprache zu nutzen. Dennoch sollten diejenigen, die eine geschlechterneutrale Sprache für wichtig halten, dies tun und sich dafür einsetzen dürfen. So bleibt genug Kraft und Energie, um sich für die bedrohlichen Probleme der Frauen in der Gesellschaft einzusetzen. Die Sprache scheint hierbei doch ein einfacher erster Weg zu sein, sich politisch zu positionieren und Solidarität mit Frauen sowie nonbinären und intersexuellen Personen zu zeigen.
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