Konzept
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und was für ihn spricht
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk genießt in vielen europäischen Ländern einen besonderen Status. Tatsächlich haben die meisten europäischen Länder einen öffentlich-rechtlichen oder zumindest ähnlich gestellten Rundfunk. Die BBC (British Broadcasting Corporation) gilt als die erste öffentlich-rechtlich organisierte Rundfunkanstalt. 1927 wurde die BBC nach jahrelangem Einfluss durch die Wirtschaft und Versuchen der Übernahme durch den Staat in den Dienst der Öffentlichkeit gestellt.
So wurde letztendlich das erste „Public-Service“-Modell erschaffen, welches sich ausschließlich durch Rundfunkgebühren finanziert. Eine der wesentlichen Aufgaben des ÖRR ist die Wahrung der politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit. Außerdem gelten ein Grundversorgungsauftrag und ein gesetzlich definierter Programmauftrag. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hatte über Jahrzehnte lang eine Monopolstellung, bis Anfang der Achtzigerjahre die Einführung von privatem Fernsehen und somit des dualen Rundfunksystems, die Situation der europäischen Rundfunklandschaft völlig veränderte. Monaco ist der einzige Staat Europas in dem es weder öffentlich-rechtlichen noch staatlichen Rundfunk gibt. Ebenso keinen mit anderer Rechtform über Gebühren oder Steuern finanzierten Rundfunk.
Finanzierung von öffentlich-rechtlichen Sendern
Innerhalb Europas gestaltet sich die Finanzierung von öffentlich-rechtlichen Medien ganz unterschiedlich. Im Grunde genommen, wird aber auf folgende Einnahmequellen zurückgegriffen: Rundfunkgebühren/Rundfunkbeiträge, direkte Finanzierung aus öffentlichem Staatshaushalt oder kommerzielle Quellen. Allerdings sind in europäischen Ländern vorwiegend die Gebühren die Finanzierungsquelle. Der gesetzlich definierte Auftrag zur Grundversorgung sowie wirtschaftlicher und politischer Unabhängigkeit sind die Begründungen dafür.
ÖRR in Deutschland
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde auch in Deutschland der öffentlich-rechtliche Rundfunk nach dem englischen Vorbild des BBC eingeführt. Dies passierte im Zuge der Demokratisierung von den Westalliierten. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrere Entscheidungen getroffen (Rundfunk-Urteile), die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entscheidend geprägt haben. Zum einen gehört dazu dessen Notwendigkeit und gesicherte Existenz, sein Umfang des von ihm zu leistenden Grundversorgungsaustrags und zum anderen, dass diese gesetzlich auserlegten Aufgaben staatsfern zu finanzieren sind.
Mitte der Achtziger Jahre wurde in Deutschland neben den öffentlich-rechtlichen Sendern auch der private Rundfunk eingeführt.
Der ÖRR hat die Staatsferne und die Unabhängigkeit zu berücksichtigen. Aus diesem Grund wird der ÖRR in Deutschland nicht durch Steuern finanziert. Öffentlich-rechtliche Sender finanzieren sich über Rundfunkgebühren, die jeder private Haushalt monatlich über einen Beitrag entrichten muss. Von den öffentlich-rechtlichen Sendern hat Deutschlandland die siebhöchsten Fernsehgebühren in Europa.
Der ÖRR als Info-Angebot befindet sich in Deutschland in einer gesellschaftlichen Spannungssituation, aufgrund dessen, dass jeder Haushalt nutzungsunabhängig für die Gebühren aufkommen muss.
Wie kommen die Programme bei der Gesellschaft an?
Wie das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender, lässt sich an zwei signifikanten Indikatoren messen. Zum einen lässt sich der Marktanteil der Öffentlich-Rechtlichen messen. Dies hat sich die Gesellschaft für Konsumforschung zur Aufgabe gemacht. Beim Fernsehen lag der Zuschaueranteil im Jahr 2020 bei 49%. Im Hörfunk ist die Zahl noch etwas höher. Das bedeutet, dass die Deutschen im Schnitt ca. die Hälfte ihres Medienkonsum den öffentlich-rechtlichen Medien widmen. Zwischen den Bundesländern schwanken die Zahlen allerdings. Das Durchschnittsalter der Zuschauer liegt bei ca. 60 Jahren.
Ein weiterer Indikator ist die Glaubwürdigkeit des Informationsangebots. Eine Umfrage ergab, dass 69% von Fernsehenden den Informationen der öffentlich-rechtlichen Sender am ehesten Glauben schenken. 15% sind auf der Seite des Privatfernsehens. Des weiteren berichtete der Tagspiegel 2019 über eine Studie, die ergab, dass öffentlich-rechtliche Medien beim eher konservativen bis rechtspopulistischen Volk auf weniger Vertrauen stoßen als beim links-grünen Zuschauerspektrum.
Beziehung zu Politik und Wirtschaft
Auch bei den Rundfunkanstalten kam es immer wieder zu Konflikten zwischen parteipolitischen und kommerziellen Interessen. Um ein bekanntes Beispiel zu nennen: In den frühen 2010ern versuchte der ehemalige CSU-Pressesprecher Hans Michael Strepp immer wieder Druck auf Fernsehredaktionen auszuüben. Auf Kritik stoß auf die Berufung von Christiane Strobl zur Programmredaktionschefin der ARD. Diese ist nämlich die Tochter von Wolfgang Schäuble und die Frau vom Thomas Strobl (Innenminister von Baden-Württemberg). Versuche wirtschaftliche Interessen mithilfe des ÖRR durchzusetzen, sind keine Seltenheit. So wurden bereits Musikjournalisten von Vertretern der Musikindustrie Luxusreisen angeboten, damit diese im Nachhinein positiv über Bands oder Interpreten berichten.
Funk
Funk als Medienangebot fungiert als ein deutsches Online-Content-Netzwerk der ARD und des ZDF, welches sich insbesondere 14- bis 29-jährige richtet.
Der Projektumfang liegt bei 45 Millionen Euro im Jahr. Es werden durch Funk über 70 verschiedene und regelmäßig veröffentlichte Formate produziert, welche über Social-Media-Plattformen publiziert werden. Dazu gehören Youtube, Facebook, Twitter, Instagram, TikTok, Spotify und Snapchat. Die Inhalte von Funk können zusätzlich auf einer zusätzlichen, eigenen Webapp funk.net abgerufen werden. Die einzelnen Sendungen haben den jeweiligen Fokus auf Information, Orientierung oder Unterhalten. Hierbei handelt es sich beispielweise um Erklär-Videos oder Reportagen.
Das Funk-Netzwerk wird durch den Rundfunkstaatsvertrag geregelt. Das bedeutet, dass alle Sendungen in allen Formen in Gesprächen mit Produzenten überprüft werden, was mindestens jedes halbe Jahr stattfindet.
Warum wir als Gesellschaft den ÖRR brauchen (Kommentar)
In Zeiten von Fake News und Populismus ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, wieso es den ÖRR gibt und wie hoch der Wert für unsere Gesellschafft ist, den er hat. Aber auch, was ihn von anderen Medienangeboten unterscheidet.
„Die Rundfunkanstalten stehen in öffentlicher Verantwortung“, betonte schon 1971 das Bundesverfassungsgericht. Außerdem sei der Rundfunk „Sache der Allgemeinheit“ und müsse „in voller Unabhängigkeit überparteilich betrieben und von jeder Beeinflussung freigehalten werden“. 1986 fiel dann erstmals der Begriff „Grundversorgung“, um die Funktionen des Rundfunks "für die demokratische Ordnung ebenso wie für das kulturelle Leben der Bundesrepublik“ zu umschreiben.
Man könne sagen, es sei eine kleine Sensation, dass es etwas einen „Auftrag“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gibt. Das bedeutet, dass dieser kein kommerzielles Angebot ist, welcher sich am Markt behaupten muss, sondern eine Gesellschaftliche Aufgabe zu erfüllen hat. (siehe oben)
Es gibt natürlich auch Medien mit niveauvollem Inhalt zur Information und Unterhaltung. FAZ, RTL und auch soziale Medien tragen einen Teil zur Meinungsvielfalt bei. Diese sind allerdings anhängig von Aktionären und Aktionärinnen und nicht der Gesellschaft verpflichtet. Das bedeutet, dass wenn ihre Gelder kürzer werden, private Medien das liefern müssen, was der Markt nachfragt. Das kann im Zweifel negative Auswirkungen aus Demokratie und Meinungsbildung haben. Private Medien sind zwar auch an verfassungsrechtliche Anforderungen gleichgewichtige Vielfalt gebunden, können sich aber auch mit etwas geringere Vielfalt zufriedengeben, da es den ÖRR gibt.
Die gesetzlichen Erwartungen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zielen auf den öffentlichen Auftrag ab und weniger auf den Charakter der einzelnen Programmangebote. Es geht also weniger darum, ob eine Talkshow von den Privaten besser gemacht werden könnte oder allgemein verzichtbar wäre, sondern darum, dass der ÖRR grundsätzlich im Interesse der Allgemeinheit tätig ist, sodass eine vielfältige Meinungslandschaft aufrechterhalten und befördert werden kann.
Natürlich hat dies auch seinen Preis. Der öffentlich-rechtlichen Medien werden von den Bürger:innen in vollem Umfang bezahlt. Das steht im Gesetz geschrieben. Nicht selten wird hierbei von einem „Zwangsbeitrag“ gesprochen, weil ihn jeder zahlen muss; auch wenn er oder sie die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gar nicht in Anspruch nimmt. Die Bürger:innen zahlen allerdings nicht nur für die Nutzung eines speziellen Contents, sondern leisten auch einen Beitrag für den Erhalt und die Entwicklung einer Institution, welche ihre gesellschaftliche Aufgabe ohne solidarische Finanzierung nicht erfüllen könnte.
Der ÖRR ist „unser“ Rundfunk. Er existiert, weil er von den Bürgerinnen und Bürgern getragen wird. Er ist staatsfern organisiert und kann sein Programm unabhängig von politischen Vorgaben gestalten. Er MUSS auf Qualität statt Quote setzen und auf fundierte Recherche und solide Hintergrundberichterstattung. Es müssen journalistische Standards bewahrt werden auf die sich Zuschauer:innen und Hörer:innen verlassen können.
Um all dies gewährleisten zu können, muss sich der ÖRR auch Kritik stellen und offen für Reformen sein. Besonders das Gebot der Staatsferne muss bei der Besetzung der Gremien geachtet werden. Außerdem sollte der ÖRR Synergien besser nutzen, um glaubhaft den Vorwurf aus dem Weg zu räumen, sie gingen leichtfertig mit ihren finanziellen Mitteln um.
Es gibt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch einiges zu tun, dennoch wäre es schändlich ihn grundsätzlich in Frage zu stellen. Öffentlich-rechtliche Medien sind nach wie vor die einzigen Medien, die von Staat und Markt gleichermaßen unabhängig agieren können.
TAGS: Öffentlich Rechtlich Rundfunk Blogbeitrag