
Strategie
Strategie des Schweigens: Wie ein stiller Imagewandel zur wirksamen PR werden kann
In der PR gilt meist: Kommunikation ist alles. Doch was, wenn Schweigen die wirkungsvollste Form der Kommunikation ist? Der Imagewechsel der US-Influencerin Addison Rae – von TikTok-Star zur ernstzunehmenden Musikerin – zeigt, wie gezielter Rückzug zur strategischen Neupositionierung genutzt werden kann.
Vom Social-Media-Star zur Musikerin – ein Image im Wandel
Addison Rae war für viele Jahre vor allem eins: ein Gesicht des TikTok-Zeitalters. Sie wurde mit ihren Tanzvideos auf TikTok international bekannt und schnell zu einem der Gesichter der Plattform. Über die Jahre baute sie sich eine enorme Reichweite auf, war in Talkshows zu Gast und spielte sogar in einem Netflix-Film mit. Ihr Image war lange eng mit der Welt des Social-Media-Entertainments verbunden.
Als sie 2023 plötzlich eine ernst gemeinte Musikkarriere startete, kam das für viele überraschend. Nachdem sie mit ihrem Album AR erste Schritte in die Musikwelt unternommen hatte – begleitet von Talkshow-Auftritten und klassischer Promotion – wurde es in den darauffolgenden Jahren still um sie. Keine neuen Releases, kaum Interviews, seltene Posts. Erst 2025 kehrte sie überraschend mit einem neuen musikalischen Projekt zurück – deutlich künstlerischer, reifer, stilistisch inspiriert vom frühen 2000er-Pop. Auffällig: Der Imagewandel kam ohne große Ankündigung, ohne erklärende Worte.
Was auf den ersten Blick nach Kommunikationsverzicht aussah, war in Wahrheit eine durchdachte PR-Strategie: die Strategie des Schweigens.
Was bedeutet „Strategisches Schweigen“ in der PR?
In der klassischen PR-Arbeit steht Kommunikation im Zentrum: Pressearbeit, Statements, Social Media, Interviews. Doch es gibt Situationen, in denen ein bewusstes Nicht-Kommunizieren stärkere Wirkung entfalten kann als Worte.
Strategisches Schweigen bedeutet, sich gezielt aus der öffentlichen Kommunikation zurückzuziehen – nicht aus Unsicherheit oder Passivität, sondern als bewusste Entscheidung. Ziel ist es, Raum für einen Imagewandel oder eine inhaltliche Neuausrichtung zu schaffen, ohne sich unmittelbar erklären oder rechtfertigen zu müssen.
Warum funktioniert das? Drei psychologische und mediale Gründe
1. Erwartungsdurchbrechung
Wenn eine bekannte Person oder ein Unternehmen plötzlich still wird, erzeugt das Aufmerksamkeit – weil es nicht der Norm entspricht. Wo sonst dauerhafte Sichtbarkeit herrscht, wirkt Zurückhaltung fast schon radikal. Diese Lücke füllen Medien und Publikum mit Interpretationen – oft positiver, als man denkt.
2. Fokus auf Inhalte statt Person
Addison Rae vermied es, ihre musikalische Neuorientierung in Interviews oder Posts zu erklären. Stattdessen setzte sie darauf, dass ihre Songs und das dazugehörige visuelle Konzept selbst die gewünschte Wirkung erzielen. Dadurch verschob sich die Wahrnehmung: Statt „TikTok-Star versucht sich als Musikerin“ hieß es plötzlich: „Addison Rae überrascht mit starker Musikproduktion“. Der Inhalt wurde zur Story – nicht die Person.
3. Vergessen als strategischer Hebel
Ohne ständige mediale Präsenz verblasst ein altes Image – zumindest teilweise. Das Publikum wird „entwöhnt“, alte Assoziationen verlieren an Kraft. Der Neustart wirkt glaubhafter, weil er nicht im direkten Kontrast zur bisherigen Außendarstellung steht.
Weitere Beispiele: Wenn Schweigen Strategie war
Addison Rae ist nicht die Erste, die diesen Weg geht. Auch andere Persönlichkeiten haben das Schweigen als PR-Instrument genutzt. Ein prominentes Beispiel: Taylor Swift, die sich nach massiver Kritik 2016/2017 vollständig aus der Öffentlichkeit zurückzog. Keine Interviews, keine Auftritte. Erst Monate später meldete sie sich mit einem völlig neuen Konzept und Album zurück – Reputation. Die Wirkung: maximale Aufmerksamkeit bei vollständiger inhaltlicher Kontrolle.
Was können Unternehmen daraus lernen?
Auch in der Unternehmenskommunikation gibt es Situationen, in denen eine kommunikative Zurückhaltung sinnvoll sein kann – insbesondere bei:
• Repositionierungen oder strategischen Neuausrichtungen
• Imagekorrekturen nach öffentlichen Fehltritten – insbesondere, wenn zuvor bereits ein offizielles Statement abgegeben wurde
• Marken-Relaunches, bei denen Inhalte oder Produkte im Vordergrund stehen sollen
• Krisenkommunikation, in der Überkommunikation kontraproduktiv sein kann
Wichtig dabei: Schweigen darf nie unkontrolliert oder planlos sein. Es braucht ein klares Ziel, ein definiertes Timing und – wenn der Moment kommt – eine kommunikative Rückkehr mit Substanz.
Nicht jedes Schweigen ist Kommunikation. Aber manche Kommunikation ist besser, wenn sie still ist.
Der Fall Addison Rae zeigt: Selbst in einer lautstarken Medienwelt kann strategische Zurückhaltung ein machtvolles Werkzeug der PR sein. Schweigen bedeutet nicht Stillstand – im Gegenteil. Richtig eingesetzt, kann es Raum für Wandel schaffen und die Aufmerksamkeit dorthin lenken, wo sie hingehört: auf die Inhalte.
Für Unternehmen lohnt sich der Blick auf solche Mechanismen. Denn gute PR heißt nicht nur reden – sondern wissen, wann man besser nichts sagt.
TAGS: PR, Reichweite, Imagewandel, Brand Transformation